Xaver Bayer ist mit den herrschenden Verhältnissen nicht einverstanden und schreibt gegen diese an. Für seine abgründig-witzigen „Geschichten mit Marianne“ erhielt er 2020 den Österreichischen Buchpreis. Was Bayers Schreiben stets auszeichnet, ist das gelungene Porträt einer Welt, in der die Gewissheiten des Alltags plötzlich ins Bodenlose kippen.
Kein Agent, keine Literaturszenetreffs und auch kein Twitter oder Facebook. Während seine Kolleginnen und Kollegen diverse Plattformen als Promotionsmöglichkeit nutzen, hält sich der 1977 in Wien geborene Bayer da grundsätzlich raus. Der Autor von einem Dutzend Romanen, Erzählungen, Theaterstücken und Gedichtbänden gilt im Betrieb als Unangepasster, bisweilen als auch Unbequemer. „Ich habe immer irgendwie aufbegehrt (…) gegen alles, was sich angeboten hat“, so Bayer schmunzelnd im „Archive des Schreibens“-Gespräch.
Die Verweigerung eines Allzu-involviert-Seins hat für ihn guten Grund: „Ich glaube nach wie vor, dass ein Autor sich zwischen Mitte und Rand des Geschehens hin und her bewegen muss, damit er sieht, was die anderen nicht sehen“, betont Bayer. Darum geht auch in seinen Texten: Seine Bücher zielen mitten ins Heute, versuchen die Wunden und Betriebsblindheiten auszustellen, etwa auch die Zerstörung der Natur, die Ausbeutung der Schwächsten und die Übermacht des Digitalen zu thematisieren.
Debütiert hat Bayer 2001 mit dem popliterarisch angehauchten „Heute könnte ein glücklicher Tag sein“ rund um einen gelangweilten Anfang-20-jährigen in Wien. Die ersten Buchversuche sieht Bayer selbst mittlerweile kritisch, als zu gefällig an. Was sich in dem handlungsarmen Buch jedenfalls schon abzeichnet, ist eine genaue Beobachtungsgabe und ein typischer Bayer-Protagonist, ein junger Mann aus dem Mittelstand, der an seiner Verweigerungshaltung und den Gefühlen der Nichtzugehörigkeit laboriert und dessen Ähnlichkeiten mit dem Autor wohl kaum zufällig sind.
Bevorzugter Schreibort ist für Bayer nicht sein Zuhause oder ein Bürozimmer, sondern das Wirtshaus und das Cafe. Dort nimmt er Zettel und Stift zur Hand: Das Handschriftliche helfe ihm, Verinnerlichtes zu Papier zu bringen, die Übertragung in den Computer ist ein wichtiger nächster Arbeitsschritt. Wohin es inhaltlich geht? Für Bayer vorab nie festgelegt, das entscheide sich erst beim Schreiben.
Das Projekt „Archive des Schreibens“
„Archive des Schreibens“ ist ein Kooperationsprojekt zwischen dem ORF und dem Gastlandprojekt Österreich bei der Leipziger Buchmesse 2023. TV, Online und Radio präsentieren gemeinsam die neue Generation des Schreibens in Österreich. Die Autorinnen und Autoren sprechen dabei über sich selbst, ohne dass jemand ihre Arbeit von außen kommentiert. Bis zum Österreich-Schwerpunkt bei der Leipziger Buchmesse 2023 sollen zahlreiche Porträts des neuen Schreibens entstehen und darüber hinaus weiter produziert werden.
Das sechste Kapitel von „Archive des Schreibens“ wurde im Rahmen des „kulturMontag“ am 5. September auf ORF 2 ausgestrahlt.
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