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Archive des Schreibens: Barbi Marković

Literatur mit fleischfressender Cousine und Verfolgungsjagden wie aus dem Computerspiel: Barbi Markovićs Schreiben ist voller Pop – und nimmt es locker mit der Hochkultur auf. Die Autorin mit serbischen Wurzeln hat mit „Minihorror“ ein neues Buch vorgelegt, das den Alltag ins Drastische kippen lässt. Und viel über Zugehörigkeit erzählt.

Hinter jeder Ecke lauert hier ein Monster: Die serbische Cousine Jennifer, die plötzlich wimmernd im Supermarkt steht, hofft auf mitleidige Unterstützung, entpuppt sich dann aber als menschenfressende Horrorfigur wie aus dem Splatter-Film, mit „triefendem Fleisch“ anstelle eines Gesichts. Die Hauskatze treibt einen mit perfiden Tricksereien in die psychische Zerrüttung. Und auch das weihnachtliche Keksebacken bei der Schwiegerfamilie in der Tiroler Kleinstadt offenbart ein dunkles Geheimnis: Die gesunde Hautfarbe, die prallen Backen der Landleute, die gibt es nur, weil alle aus Teig gemacht sind.

In Markovićs neuem Roman „Minihorror“ wird das Paar Miki und Mini auf diverse Arten ganze 26-mal vom Grauen heimgesucht. Die eng verknüpften Kurzgeschichten (etwa: „Mini wird begraben“, „Spät im Kapitalismus“ und „Diät“) folgen dem Duo mit den Comic-Namen Miki und Mini durch Alltagssituationen, die nach dem Prinzip Kippbild in die Eskalation oder in teils surrealen Horror abdriften.

Von einem Spiel mit Autobiografischem darf dabei ausgegangen werden: Auch Protagonistin Mini (Minerva) ist Autorin mit serbischen Wurzeln und hat wie Barbi (Barbara) Marković eigentlich einen längeren Namen. Das Ergebnis ist jedenfalls absurd, düster und sehr lustig, während dahinter komplexe Fragen der Zugehörigkeit und eines Clash of Culture mitschwingen.

Klar ist: Marković weiß, wovon sie schreibt. 1980 geboren, wuchs sie in Belgrad auf, wo sie Germanistik studierte und in einem Verlag arbeitete. 2006 zog sie nach Wien und hat seither fünf Romane veröffentlicht, allesamt mit politischem Hintergrund. Für die Themen Aufstiegsträume der postmigrantischen Jugend und Kriegstraumata in Ex-Jugoslawien holt sich Marković gerne auch Surreales und Fantastisches zur Seite. „Ich bin sehr empfindlich gegenüber allen Arten von Ungerechtigkeiten, ich versuche in meinen Büchern sogar ein paar zu korrigieren, um den Leuten eine Idee zu geben, wie es sein könnte“, so Marković im „Archive des Schreibens“-Gespräch.

Literarisch ist Marković eigentlich mehr in Wiens reger Indie-Szene zu Hause. Aber auch vom etablierten Literaturbetrieb gab es Anerkennung gleich von Beginn an. Während eines Studiengastsemesters in Wien war sie auf Thomas Bernhards „Gehen“ (1971) gestoßen und startete, zurück in Belgrad, eine radikale Überschreibung des Originaltexts, Satz für Satz: Aus „Gehen“ wurde der Remix-Roman „Ausgehen“ (2009)/“Izlaženje“ (2006). Anstelle der alten Spaziergänger schickt Marković da drei junge Frauen in die Clubszene im bombenzerstörten Belgrad. „Ich habe Bernhard bei diesem ersten Buch quasi benutzt und dadurch über Bernhard Deutsch gelernt“, so die Autorin zu dem vielbeachteten Text.

2011/2012 war Marković Stadtschreiberin von Graz, daraus ging das Buch „Graz Alexanderplatz“ hervor. 2016 folgte der Großstadtroman „Superheldinnen“, der unter anderem mit dem Förderpreis des Adelbert-von-Chamisso-Preises ausgezeichnet wurde. Die Protagonistinnen sind drei selbstbewusste Frauen mit ex-jugoslawischem Hintergrund, die in versifften Wiener Cafés überlegen, an wem sie ihre magischen Kräfte „Blitz des Schicksals“ und „Auslöschung“ ausprobieren können. Vor allem aber träumen sie vom Aufstieg in die sorgenfreie Mittelschicht.

Während Marković ihre „Superheldinnen“ noch auf Deutsch und Serbisch verfasste, folgte mit „Die verschissene Zeit“ ihr erstes ausschließlich auf Deutsch geschriebenes Buch. „Ich glaube, dass ich durch die Zweisprachigkeit mehrere Welten kenne, zwei … oder doch mehrere“, sagt Marković zur Frage der Zugehörigkeit. Die sprachlichen „Unzulänglichkeiten“ brächten schließlich auch „Freiheit“ mit sich. In „Die verschissene Zeit“ leistete sie etwa lustvoll-deftige, aber auch kreative Übersetzungsarbeit, als sie ihr Lesepublikum in das serbische Schimpfwortrepertoire einführte (inklusive eigener Kreationen!) – zu hören auch im Video.

„Die verschissene Zeit“ erzählt von jugendlichen Außenseitern, die im bombenzerstörten Belgrad in einer „Allneunziger“-Zeitschleife gefangen sind, verursacht durch einen Zeitmaschinenunfall. Eine aberwitzige Abenteuergeschichte vor dem Hintergrund des kriegsgebeutelten Balkans der 90er Jahre.

Die Doppelbödigkeit – Pop, Witz, Coolness und politisches Gesellschaftspsychogramm – trägt nun auch das fragmentarischere „Minihorror“ in sich. Auch für Mehrheitsösterreicherinnen und Mehrheitsösterreicher gibt es dabei viel Wiedererkennungswert, wenn Marković etwa über das Krampuslauf-Brauchtum schreibt und das „Minenfeld“ Gemeinsam-Putzen. Zumindest für Mini und Miki geht das gut aus, die Nerven liegen zwar blank, die totale Gewalteskalation kann aber vermieden werden. „Ende gut, alles gut …“, schreibt Marković in „Lustiges Taschenbuch“-Manier.

Für die Autorin läuft es heuer übrigens mehr als rund: Vor dem Erscheinen von „Minihorror“ dieser Tage (9. Oktober) wurde sie heuer schon zweimal ausgezeichnet, mit dem Berliner Kunstpreis und dem österreichischen Outstanding Artist Award für Literatur.

Das Projekt „Archive des Schreibens“
„Archive des Schreibens“ ist ein Kooperationsprojekt zwischen dem ORF und dem Gastlandprojekt Österreich bei der Leipziger Buchmesse 2023. TV, Online und Radio präsentieren gemeinsam die neue Generation des Schreibens in Österreich. Die Autorinnen und Autoren sprechen dabei über sich selbst, ohne dass jemand ihre Arbeit von außen kommentiert. Bis zum Österreich-Schwerpunkt bei der Leipziger Buchmesse 2023 sollen zahlreiche Porträts des neuen Schreibens entstehen und darüber hinaus weiter produziert werden.

Hier geht’s zum Video.

Text: Alice Pfitzner, Paula Pfoser

Archive des Schreibens: Daniel Wisser

Er zählt zu den originellsten Autoren Österreichs: In seinen Bestsellern kombiniert Daniel Wisser Gesellschaftskritik, launige Beziehungskisten und dramaturgische Kniffe. Ging es im Buchpreis-prämierten Roman „Königin

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